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Hi, ich bin Bea und ich möchte dir heute eine Geschichte erzählen.
Sie handelt davon, wie ich in meine aktuelle Situation geraten bin, was ich daraus gemacht habe, wer mich alles begleitet hat und welche Strategien ich seither in meinem Gepäck habe.

Du kennst es bestimmt auch, wenn du Tag ein, Tag aus in deinem Hamsterrad herumstrampelst und dich am Abend beim Einschlafen fragst, für was du das alles eigentlich tust. Du gerätst immer wieder in einen Konflikt mit deinem Körper. Er sendet dir nämlich ständig irgendwelche Zeichen, dass ihm das langsam aber sicher über den Kopf wächst. Und irgendwann kommt Tag X, an dem es knallt.

Damals, als ich an die Diplomprüfung meiner Ausbildung angetreten bin, erfuhr ich am eigenen Leib, was eine akute Stressreaktion ist. Ich spürte die Anzeichen in einer ziemlich ausgeprägten Form. Schon allein der Gedanke an die Prüfungssituation liess meine Hände schwitzig und zittrig werden. Ich spürte, wie sich mein Herzschlag beschleunigte und meine Atmung flacher wurde. Gedanklich war ich nur noch auf diese Situation fixiert und vergass um mich herum so ziemlich alles. Ich spürte, wie mich die Angst begleitet und ich mich in die Enge getrieben fühlte. Von der Nervosität mal ganz abgesehen.
Wochen davor habe ich in einem Buch gelesen, wie es im Innern des Körpers aussieht, wenn so eine Reaktion vonstattengeht. Für das Durcheinander im Körper sind wohl zwei grosse Systeme, das vegetative Nervensystem, welches aufgrund der erhöhten Symphatikusaktivität für die Ausschüttung der allseits Bekannten Transmitter Adrenalin, Noradrenalin und Dopamin verantwortlich ist und das limbische System, welches die Stresshormone CRH, ACTH und insbesondere das Cortisol in den Kreislauf bringt. Durch das Zusammenspiel all dieser Botenstoffe kommt es zu körperlich spürbaren Reaktionen, wie ich sie oben beschrieben erlebt habe. Doch man sagt, Körper, Seele und Geist sind eins und stehen somit immer in Wechselwirkung. Was auch erklärt, weshalb meine Gedanken plötzlich so eingeengt waren, ich mich nicht mehr richtig konzentrieren konnte und sogar während der Prüfung ein Blackout hatte. Danke Cortisol! Aufgrund deines Höhepunktes nach 20 Minuten vom Beginn meiner deutlich spürbaren Stressreaktion, hast du mein logisches, rationales Denken geblockt. Relevante Informationen, die ich in diesem Moment gebraucht hätte, waren aus meinem Kurzzeitgedächtnis nicht mehr abrufbar.
Zum Glück war damals mein Körper aber im Stande, nach der Situation an sich, wieder zeitnah zur Ruhe zu kommen. Dabei unterstütze ich ihn etwas, in dem ich mir als Belohnung dieser getaner Arbeit einen Wellnesstag gegönnt habe. Während dieser Erholungsphase beobachtete ich, wie ich allmählich ruhiger wurde. Das hat wohl damit zu tun, dass mein inneres System wieder seine «normalen» Tätigkeiten aufnahm und in diesen Momenten eine sogenannte Rückkoppelung zu einem normal erhöhten Cortisolspiegels stattfand.

Solche einzelnen Stresssituationen sind an sich ja eigentlich nichts Schlimmes. Im Gegenteil – in manch einer gefährlichen Situation kann es durchaus lebensrettend sein. Umso wichtiger ist es, dass nach solchen Ereignissen immer eine Erholungsphase eingebaut wird, damit sich das Körpersystem wieder regulieren kann. Tauchen jedoch während solcher Ruhephasen erneute Reize auf, wie es in meinem Alltag so sehr oft der Fall war, wird die gesamte Stressreaktion ja immer wieder erneut angepeakt, wodurch ein ständig erhöhter Hormonspiegel besteht. Und was ich an dieser Stelle auch noch erwähnen will, was viele so nicht sehen ist: Es bestehen auch positive Stressoren. In meinen Fachbüchern werden diese auch unter dem Begriff Eustress zusammengefasst. Der Eustress sorgt für eine Anspornung und führt nicht selten zu Glücksgefühlen. Die Leistungsfähigkeit wird dabei optimal ausgeschöpft. Dennoch steht diesem positiven Stresserleben auch die negative Seite entgegen. Diese beinhaltet der Distress, bei dem wir uns in einer Überforderungssituation befinden (oftmals im Alltag zu beobachten) und der Hypostress, in welchem der Mensch sogar dauernd unterfordert ist. Ja auch das stresst. Hab ich an meinem eigenen Leibe vor ein paar Jahren selbst erfahren. Ich war damals nicht mehr wirklich leistungsfähig, oftmals gereizt und kannte mich teils selbst nicht mehr.
Wenn solche Stressoren ständig bestehen, also sich chronifizieren hat das mit der Zeit äusserst bedrohliche Auswirkungen auf den Körper. Ich führte immer wieder ausgiebige Gespräche mit Leuten, die mir ihre Geschichte erzählten.
Ein junger Manager eines Finanzdienstleisters war ständigem Druck ausgesetzt. Er musste vermehrte interne Konflikte austragen, was in enorm belastet. Er war dadurch unter ständiger Anspannung. Mit der Zeit beobachtete er eigenartige Veränderungen an seinem Herzkreislaufsystem. Sein Herz hatte immer wieder «Aussetzer» und als eigentlich sportlicher, gesunder Typ machte ihm der stetig ansteigende Blutdruck zu schaffen.
Eines Tages wurde er in den Notfall mit Verdacht auf einen Herzinfarkt gebracht.
Und dann gibt es noch die Halberwachsene. Der ständige Leistungsdruck in der Schule setze ihr wohl sehr zu. Sie beklagte sich bei mir über ihre vermehrt auftretenden «Fressattacken» aufgrund mieser Emotionen und Frustgefühlen. Dieses Verhalten hat bei ihr dazu geführt, dass sie innert kürzester Zeit einiges an Kilo zugenommen hat, weil die Energie durch das Zusammenspiel von ständig erhöhtem Cortisol und Insulin in Form von Depotfett abgespeichert statt abgebaut wird. Der Schock kam beim Arzttermin: Diabetes!
Und da war noch ein alter Bekannter von mir. Ich kenne ihn aus der Kindheit. Damals schon beneidete ich ihn, weil er im Vergleich zu anderen Kindern nie oder nur höchst selten krank war. Er hatte ein verdammt starkes Immunsystem. Neulich traf ich ihn an der Bushaltestelle und wir haben die Wartezeit mit einem netten Gespräch überbrückt. Aus seiner biografischen Kurzzusammenfassung stellte sich heraus, dass er… nun ja, sagen wir mal,…krankhaft versucht, irgendwie am Leben teilzuhaben. Von seinem früher dagewesenen starken Immunsystem ist wohl nicht mehr sehr viel übrig. Ständig habe er irgendeinen Infekt auszutragen, seine Verletzungen, die er sich beim Biken und Wandern zuzieht, brauchen viel länger im Heilungsprozess und auch sonst verzeichnet er einen Abfall seiner Leistungsfähigkeit.
Bei all diesen Menschen habe ich herausgehört, dass sie immer und immer wieder zwischenmenschliche Konflikte austragen mussten: Der Manager in seinem Team, die Halberwachsene in der Schule und der alte Bekannte mit seiner Familie, da er ständig krank war und die Kindererziehung an der Mutter anstösst. Des Weiteren haben alle eine zusätzliche Gemeinsamkeit: ihre Bedürfnisse konnten aufgrund der Umstände nur selten befriedigt werden und gesetzte Ziele wurden vermehrt nicht erreicht. Längerfristig gesehen, sind das dem Anschein nach Faktoren, die – wenn zu Beginn auch nur unbewusst spürbar – stressen. Chronisch stressen.   

Ich sass also eines Tages in meinem Zimmer am Tisch und starrte dabei die Wand an. Die Gedanken kreisten und meine Stimmung war irgendwie komisch. Ich spürte, dass irgendetwas mit mir nicht stimmt. Doch zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, was es war. Ich spürte auch, dass ich so nicht mehr länger ausharren will und ich etwas ändern musste. Schliesslich will ich mich keineswegs mit solchen Ärgernissen abfinden, wie es die Leute tun, die mir ihre Geschichte erzählt haben.
Aber eigentlich war ich viel zu müde und kraftlos, jetzt noch den PC zu starten, um Recherchearbeit zu betreiben. Eigentlich wollte ich einfach nur noch weg. Irgendwo auf eine einsame Insel. Irgendwo ins Nirgendwo. Hauptsache weit weg von all dem Alltag, den Menschen und Situationen.
Und genau dieser Gedanke oder Impuls war es, der mich zu meinem damaligen psychologischen Berater führte.

Das Sitzungszimmer war schlicht aber einladend gestaltet. Das Bild an der Wand hatte immer irgendwie eine beruhigende Wirkung auf mich. Das war bestimmt auch die Absicht des Beraters. Er war äusserst geschickt und wusste die psychologischen Prinzipien sehr gut einzusetzen. Er war es schlussendlich auch, der den richtigen Startschuss meines Prozesses getätigt hat.
Wir waren uns schnell einig, dass ich an meinem Lebensstil etwas Grundlegendes ändern musste. Er nannte das Stressbewältigung. Denn offensichtlich war das notwendig.
Ich mag mich noch sehr gut an unsere erste Sitzung erinnern. Das war vielleicht anstrengend. Es war mir schon klar, dass er mich durchleuchten musste, um mir weiterhelfen zu können. Aber dass es so tief geht, ahnte ich damals nicht. Spürte dann aber zu einem späteren Zeitpunkt, dass es NOCH tiefer werden kann. Aber eines nach dem anderen.
So durchlief ich in dieser Sitzung ein Marathon an Fragen wie:
– Welche Situationen und Reize mich in die Stressreaktion bringen
– Welche Stärken und Schwächen ich habe & wie ich meine aktuelle Resilienz bzw. Vulnerabilität    einschätzen würde
– Wie ich auf körperlicher, emotionaler und gedanklicher Ebene auf Stressoren reagiere
– Welche Konsequenzen bzw. welches Verhalten ich in Stresssituationen zeige und was sich daraus resultiert
So neugierig wie ich war, wollte ich wissen, nach welchem Schema er mit seinen Fragen vorgeht. Er erklärte mir, dass sich Berater und Therapeuten sehr wertvollen Modellen bedienen. Bei mir kam das sogenannte SORCK-Modell zum Tragen.
Des Weiteren regte er mich zum Denken an, in dem er mir anhand eines weiteren Modells meine persönlichen Bewertungsprozesse einer Stresssituation darlegt. Ich fing allmählich an zu begreifen, dass ich nicht nur die Situationen anpassen, sondern meine ganze Einstellungs-, Gedankens- und Bewertungsmuster überarbeiten muss. Make sense.
Es scheint mir, als ob mein Berater einen genauen Plan in seinem genialen Köpfchen zusammen hat, um mich auf den richtigen Weg zu bringen. Ihm war es wichtig, dass ich seine Arbeitsweise nachvollziehen kann, weshalb er mich stets genauestens aufklärte. In einer ersten Phase, in der wir uns bereits direkt befanden, möchte er möglichst viele Informationen sammeln und Analysieren. Er wollte, dass ich in die Selbstbeobachtung gehe und verstehe, was mit mir passiert. Ich wurde also darauf sensibilisiert, was in zukünftigen Stresssituationen mit mir geschieht, was mir dann zur erfolgreichen Gegenregulation verhelfen soll. Ebenfalls in dieser Phase enthalten war die Evaluation möglicher Bewältigungsmassnahmen. Was funktionierte früher oder könnte funktionieren und was klappt nicht. Mit diesen Massnahmen, die wir dann als potenzielle Werkzeuge – nein, das Fachpersonal spricht immer von Coping-Skills – ausgesucht hatten, soll in Zukunft in den kommenden Phasen gearbeitet werden. Zuerst anhand eines Übungszeitraumes, in welchem ich diese Copings korrekt erlerne und einübe. Später sollen diese dann im Alltag voll umgesetzt bzw. angewendet werden können. Das funktioniere aber nur, wenn ich die zuvor analysierten Stressanzeichen frühzeitig an mir selbst erkenne. Das braucht eine sukzessive Vorgehensweise.
Da ich eigentlich ein Praktiker bin, wollte ich die neu erlernten Skills natürlich sofort einfach drauflos anwenden. Mein Berater musste mich da etwas bremsen und arbeitete zuerst anhand spezifischer Vorstellungsübungen und Rollenspielen. Hab ich schonmal erwähnt, dass ich Rollenspiele hasse?
Der Moment, an dem wir uns an reale Situationen gewagt haben, war dann doch endlich auch gekommen. Ich war in meinem Alltag auf mich gestellt und sollte nun die gelernten und geübten Strategien anwenden.
Für eine gewisse Zeit funktionierte das ziemlich gut. Dann aber kam der grosse Rückschlag.

Fortsetzung folgt!

P.S. Erkennst du die Themen, die ich in die Geschichte verpackt habe? 😉 

larissa

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